Boris Waschkowitz (l.) und Sandra Ricken hatten Dr. Jan-Uwe Rogge in die Aula des Schulzentrums eingeladen. (HZ-Foto Wolter)

Der Erziehungsexperte Dr. Jan-Uwe Rogge hat in der Aula des Schulzentrums über die Pubertät gesprochen und 300 Besucher hingen an seinen Lippen. Dabei verglich er Jugendliche unter anderem mit Schalentieren, die sich in ihre Höhle zurückziehen.

Halterner Zeitung, 22.11.2018, von Jürgen Wolter

„Erziehung kommt nicht von Ziehen, sondern von Beziehung“, sagt Dr. Jan-Uwe Rogge. Der Erziehungsexperte mach­te sich am Dienstagabend in der Aula des Schulzentrums auf humorvolle Spurensuche im Dschungel des schwieri­gen Verhältnisses zwischen Eltern und pubertierenden Kindern.

Den rund 300 Besuchern kam da vieles sehr bekannt vor. So wie zwei Müttern von jeweils zehnjährigen Töch­tern, die ihre Namen nicht ge­nannt haben wollten. „Auch wenn die Pubertät bei meiner Tochter erst beginnt, es zeich­net sich schon ab, was da kommt“, so eine der beiden. „Immer wieder höre ich zum Beispiel den Satz: ‚Die ande­ren dürfen das auch alle‘, wenn ich etwas Verboten habe.“

Die Töchter fangen an, Stimmungen auszureizen und auch zu provozieren. „Ich versuche immer ruhig zu bleiben, aber wenn sie es dann geschafft hat und ich wirklich mal hochgehe, dann kommt ganz cool der Spruch: „Komm mal wieder runter“, so eine der beiden Mütter. Und die andere ergänzt: „Ich versuche immer, meine Tochter ernst zu nehmen. Sie macht es mir aber manchmal echt nicht leicht.“

Für Eltern, die Kinder möchten, die in der Pubertät ruhig und friedlich sind, hat Jan-Uwe Rogge frei nach Aristoteles gleich einen wei­sen Rat: „Zeugt sie bei Südwind! Aber was machst du, wenn gerade Nord-Ost-Wind war?“, fragt er anschließend in die Runde.

Kalte Brise

Diese kalte Brise hat wohl bei den meisten geweht, wenn es nach dem Verhalten ihrer Kin­der geht. Pubertät sei eine „ungeheuer körperliche Zeit“, so Jan-Uwe Rogge. „Aber sie führt erst mal zu Mutatio­nen.“

Sein Paradebeispiel: der ju­gendliche Hummer, der seinen Panzer abwirft und sich zum Schutz in eine Höhle zu­rückzieht. „Bei Pubertieren­den heißt diese Höhle Kinder­zimmer“, so Rogge. „Sie ist dunkel, sie ist stickig und es herrscht eine gewisse Streu­ordnung“. Darauf reagierten patrouillierende Mütter oft mit dem wirkungslosen Satz: „Räum doch bitte mal ein bisschen auf!“

Rogge warnt davor, sich als Eltern zum „Kumpel“ der pubertierenden Kinder machen zu wollen. „Kinder wollen El­tern, die älter sind“, sagt er. „Deshalb mögen sie ihre Großeltern. Und das heißt auch: Für Mütter gilt ab 35 ein Einkaufsverbot bei H&M“.

Im Gespräch bleiben

Sich nicht anbiedern, aber im Gespräch bleiben, empfiehlt Jan-Uwe Rogge. „Da wächst eine tolle Generation heran, die ist nur anders als Sie! El­tern müssen nicht immer gut und gutmütig sein. Sie dürfen auch mal gemein sein. Seien Sie anarchisch!“, fordert Rog­ge seine Zuhörer auf.

„Erziehen ist keine Technik, sie funktioniert immer ergebnisoffen“, sagt der Experte, der auf Einladung von Stadtjugendpfleger Boris Waschkowitz und Schulsozialarbeiterin Sandra Ricken nach Haltern am See gekommen war. Eltern müssten ihre Kinder immer begleiten, denn auch pubertierende Kinder seien ein Geschenk, das man mit Demut und Dankbarkeit annehmen sollte. Dr. Jan-Uwe Rogge riet den Eltern im Publikm: „Sie müssen der Leuchtturm sein, der immer blinkt, wenn die Kinder Schutz und Hilfe brauchen. Sie wissen nicht, wann sie kommen, aber sie müssen blinken!“