Dominik Forster (30) hat mit Speed gehandelt und saß zweieinhalb Jahre selbst im Gefängnis (Bild: Kevin Kindel)

Er hat am Tag 3000 Euro mit Drogen verdient und fühlte sich wie der König der Welt. Kurz danach holte die Polizei Dominik Forster (30) auf den Boden der Tatsachen. Hier ist seine Geschichte.

Halterner Zeitung, 24.11.2018, von Kevin Kindel

„Ich hab gesoffen, gekifft, Goldketten getragen wie ein Zuhälter und jede Menge Bitches geknallt“, erzählt Dominik Forster auf der Bühne vor 250 Schülern. Fast alle lachen, weil sie solche Worte nicht erwarten von jemandem, der in einer Schule einen Vortrag hält. „Ich hab in einem halben Jahr 130.000 Euro mit Drogen verdient. Aber gelandet bin ich ganz unten“, sagt der 30-Jährige, dann: „Im Jugendknast bin ich jeden Tag systematisch erniedrigt worden.“ Und plötzlich ist es in der Aula des Halterner Schulzentrums ganz still.

Dominik Forster erzählt davon, wie er mit harten Drogen in Kontakt kam, von phänomenal guten Tagen durch Speed und Kokain. „Das ist, wie wenn man eine Rakete steigen lässt“, sagt der junge Mann mit der Wintermütze. „Drogen machen aus einem kleinen Spasti eine Art Superheld“, so Forster. Mit harter Sprache könne man die Jugendlichen im Publikum am besten erreichen, meint er. „Aber jede Rakete explodiert irgendwann und fällt zu Boden.“ Auf phänomenale Tage folgten die mit „unfassbaren Schmerzen“, als es sich anfühlte, als müsse man sterben.

Der Mann, der da jetzt so aufgeräumt auf der Bühne steht, lebt seit acht Jahren ohne harte Drogen und trinkt seit fünf Jahren auch keinen Alkohol mehr. Er hat Bücher über seine Erlebnisse geschrieben und tourt mit seinen Vorträgen durch Schulen in ganz Deutschland. Die Geschichte des Absturzes seiner persönlichen Rakete begann vor mehr als 20 Jahren mit einem tatsächlichen Absturz in Nürnberg.

„Wir hatten eine ganz normale Vier-Zimmer-Wohnung“, sagt der junge Mann mit den vielen Tattoos: „Papa hatte eine eigene Firma.“ Der kleine Dominik war neun Jahre alt, als er auf das Dach einer Werkstatt geklettert ist, um seinen weggeschossenen Fußball zurückzuholen. Er fiel durch ein Dachfenster und schlug sechs Meter tiefer auf. Dreifacher Schädelbasisbruch. Ein Arzt habe die Mutter im Krankenhaus sinngemäß gefragt: „Haben Sie noch ein zweites Kind? Dieses hier können Sie vergessen.“ Auch wenn sich Dominik wider Erwarten relativ schnell erholt hatte, die Firma lief schlecht und es gab enorm viel Druck: Seit dieser Familienkrise ist die Mutter schwer nervenkrank und abhängig von Medikamenten. „Mein Vater hat immer gerne Bier getrunken“, sagt Forster, ab dem Tag des Unfalls sei Schnaps dazugekommen. „Meine beiden Eltern haben sich behindert konsumiert.“

Mit 13 Jahren kam Dominik auf eine Hauptschule. Früh habe er gemerkt, dass er seine Probleme im Leben alleine lösen muss, weil er auf die Eltern nicht zählen kann. „Ich war da der Spast“, sagt Forster und die Jugendlichen im Publikum lachen. „Da hab ich vier Jahre lang jeden Tag auf die Fresse bekommen“, und wieder ist Stille im Raum. „Rauchen und Trinken habe ich von zu Hause gehasst“, sagt Forster.

Mit 17 Jahren war er der Außenseiter der Klasse, weil er nicht mitgemacht hat, wenn die anderen Bier, Zigaretten oder Gras herausgeholt haben. Irgendwann knickte er ein – und auch wenn er nach viel zu viel Schnaps „vier Tage lang gekotzt“ hat: „Wie die anderen mich behandelt haben, das war etwas ganz anderes.“

Bis hierhin hört sich die Geschichte so an wie die von vielen Jugendlichen, die ihre Grenzen austesten. Doch dann hat der Coolste des Freundeskreises Dominik mit auf die Toilette genommen und ein Tütchen Speed, weißes Pulver mit Amphetaminen, herausgeholt. „Ich schwör, du hast damit den geilsten Tag deines Lebens“, habe der Kumpel gesagt. Spätestens an diesem Abend hat Dominik Forster den Blinker in Richtung schiefer Bahn gesetzt.

Forster war in einschlägigen Drogen-Clubs unterwegs, lernte Dealer kennen und wurde selbst als Händler aktiv. „Irgendwann konsumierst du selbst schon so viel, das kannst du gar nicht ohne Kriminalität finanzieren“, sagt er. „Drogen sind deshalb so gefährlich, weil sie am Anfang verdammt toll sind.“ Doch dann fing zuerst der Verfolgungswahn an. Der kleine Dominik hatte als Kind große Angst vor Insekten. Im Dauerrausch schlief Forster tagelang nicht mehr, sein Gehirn konnte das Erlebte nicht mehr verarbeiten. Das führte dazu, dass der junge Mann mit Anfang 20 in seinem Zimmer saß und sich die Haut aufschnitt, weil er meinte, darunter seien Käfer geschlüpft, die er herausschneiden muss.

Ein Ende des Konsums kam erst, als sein bester Freund beim Drogendeal erwischt wurde und Dominik Forster an die Polizei ausgeliefert hat. „Da musste ich notgedrungen den kalten Entzug machen“, sagt Forster.

Einen halben Tag war er auf der Flucht, kam dann zweieinhalb Jahre in Haft, weil bei ihm zu Hause 1,5 Kilo Speed gefunden wurden. 912 Tage voller Vergewaltigungen und anderer Erniedrigungen erlebte er im Gefängnis. Am Ende stand zwar die Freiheit, aber die Privatinsolvenz mit 23.000 Euro Schulden – mit 24 Jahren. Dass man beim kalten Entzug sterben kann, das habe er erst viel später erfahren.

Psychische Krankheiten bleiben bis heute, Forster sagt heute noch: „Ich bin drogensüchtig“. Diese Krankheit habe man sein Leben lang. „Ich hab mir zwei Jahre lang insgesamt zwei Kilo weißes Pulver teilweise mit Glassplittern darin durch die Nase gezogen.“ Diese Masse bleibe im Schädel. Im Jahr 2014 wurden heftige Verkrustungen unter dem Gesicht operativ entfernt. Der Junkie sagt: „Mit meiner Drogenkarriere habe ich mir selbst 20 Jahre meines Lebens geraubt.“

Die Kontakte zu allen Menschen, die Dominik vor seinem 24. Lebensjahr wichtig waren, sind heute komplett gekappt. Seine abhängigen Eltern zu sehen, sei für ihn selbst unfassbar schlimm gewesen. „Für meine Eltern gibt’s keine Rettung mehr“, sagt Forster: „Ich warte eigentlich nur auf den Anruf mit der Info, dass meine Mama oder mein Papa tot sind.“ Seine Eltern hätten ihn mit allergrößter Liebe und Mühe erzogen: „Sie sind aber beide am Leben zerbrochen.“

„Bei meiner Geburt hat sich meine Nabelschnur um meinen Hals gewickelt und ich war schon kurz tot“, sagt der heute 30-Jährige. Dann war da der schlimme Sturz vom Dach mit neun Jahren. „Und dann habe ich mit den Drogen jahrelang versucht, mich selbst umzubringen.“ Das alles hat Dominik Forster überlebt. „Als ich das erste Mal vor einer Schulklasse stand und meine Geschichte erzählt hab, da wusste ich, warum ich alles überleben sollte. Ich habe endlich meinen Sinn im Leben gefunden. Ende August habe ich meine beste Freundin, die Liebe meines Lebens, geheiratet und will eine Familie aufbauen.“ Dominik Forster ist wichtig, dass die Jugendlichen aus seiner Geschichte lernen. Und ihm ist bewusst, dass diese Geschichte noch nicht zu Ende geschrieben ist. „Ich bin acht Jahre clean, aber ich werde mein ganzes Leben drogensüchtig bleiben“, sagt er.

Auch wenn er selbst ein großer Fan von Rap-Musik ist: „Wenn wir das nachmachen, was unsere Hip-Hop-Stars in ihren Geschichten erzählen, dann werden wir nicht Millionär, sondern landen im Knast oder gehen sogar drauf.“