Bei einem Projekttag unter dem Motto „Die EU und ich“ warf die Stufe 9 des Gymnasiums einen Blick über den Tellerrand. Und musste dabei unter anderem die eigene Flucht aus Europa planen.

Halterner Zeitung, 15.06.2018, von Patrick Radtke

Die Referenten von „Life Back Home“.

Mit der Frage, was die Europäische Union mit einem selbst zu tun hat, beschäftigte sich die Stufe 9 des Joseph-König-Gymnasiums im Rahmen des jährli­chen Projekttages „Die EU und ich“. Dabei wurden die Schüler in mehrere verschie­dene Gruppen aufgeteilt, die alle unterschiedliche Aspekte betrachteten. Betreut wurden sie von Referenten von „Life Back Home“. Dieses Pro­gramm wird von der Organi­sation „The Global Experien­ce“ mit Sitz in Münster organisiert. Es geht darum, entwicklungspolitische und anti­rassistische Bildungsarbeit in Schulen mit dem Themen Flucht und Migration zu ver­binden. Als Referenten die­nen in Deutschland lebende Geflüchtete, um „eine andere Perspektive auf die Welt und einen unverfälschten Augen­zeugenbericht auf die Flucht zu geben“, sagt Beram Mahmoud, ebenfalls von „Life Back Home“. „Die Schüler sollen so die Möglichkeit be­kommen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Denn die mediale Diskussion ist oft sehr politisiert und entweder nur positiv oder nur negativ“, so Mahmoud.

In einer Gruppe ging es vor allem um die Flüchtlingspolitik in Deutschland. Es wurde kontrovers diskutiert. Denn ein Teil der Schüler musste für die Aufnahme von weite­ren Flüchtlingen sein und der andere Teil dagegen. Das war vor allem für die Contra-Seite gar nicht so einfach. Begleitet wurde die Gruppe unter anderem von Mohamed Saleh von „Life back Home“. „Es ist sehr cool, mit der Gruppe zu arbeiten. Am Anfang waren die Schüler schüchtern und haben bei den Contra-Argumenten ständig zu mir ge­guckt, um zu schauen, wie ich mich persönlich fühle und ob ich mich angegriffen fühle. Das hat sich mit der Zeit aber gelegt“, so Saleh. Er ermutig­te die Gruppe selbst dazu, die häufig gehörten Ängste wie fehlende Arbeitsplätze und bedrohte Sicherheit mit Argu­menten zu untermauern. Die Pro-Seite bereitete hin­gegen Argumente vor, die die Altersstruktur in Deutschland mit vielen Rentnern und we­nig jungen Arbeitern ebenso wie das Grundrecht auf Asyl thematisierten.

Fluchtziel Kanada

In einer anderen Klasse wurde die Flüchtlingsdiskussion einmal umgedreht. Unter der Fragestellung „Stell dir vor, es ist Krieg in Europa und du musst fliehen“ musste die eigene Flucht geplant werden. Wohin geht es? Warum genau dieses Land? Was nehmt ihr mit, welche Schwierigkeiten kann es geben, wie lang dau­ert es? „Dazu muss man sa­gen, dass es keinen legalen Weg der Flucht gibt“, so Refe­rentin Marah Alasaad, die wie ihr Kollege Jaafar Al-Zabalawi, selbst aus Syrien nach Deutschland geflüchtet ist und darüber auch den Schü­lern berichtete.

„Es ist uns wichtig, dass die Schüler unterschiedliche Per­spektiven und Gründe für die Flucht kennenlernen“, so Ala­saad. Das taten sie. „Es war extrem interessant. Wir haben genau erfahren, dass sie mit Booten sechs Stunden über ein Meer gefahren sind, ohne zu wissen, wie und ob es weitergeht. Wir durften auch nachfragen, ob und wie oft Kontakt zur Familie besteht“, sagt Malin Radeler aus der Stufe 9.

Als potenzielles Flüchtlings­land suchte sie sich mit ihrer Gruppe Kanada aus, „weil es dort gute Voraussetzungen für die Schule und das Studi­um“ geben würde. Die USA kämen hingegen nicht in Fra­ge, „weil sie sich häufig in eu­ropäische Kriege einmischen“, so Malin. Bevor es nach Kanada geht, ist das Zwischenziel Island. Doch da muss man erst einmal hin­kommen. Daher plante die Gruppe zunächst eine Auto­fahrt nach Dänemark. Zum Problem könnten dabei Grenzkontrollen werden. Da­nach sollte es mit dem Schiff nach Island gehen. Nach ei­nem Jahr Aufenthalt und Arbeit würde der Flug nach Ka­nada gehen und die Suche nach einer Gastfamilie und nach einer Schule starten. Gesamtkosten: 4880 Euro pro Person – optimistisch ge­schätzt.

Doch auch andere Themen standen beim Projekttag im Fokus. So wurde unter ande­rem eine Radiosendung zum Thema Datenschutz erarbei­tet, andere Schüler starteten eine Umfrage in der Innen­stadt, ob, und wenn ja wie, die EU im Alltag der Men­schen in Haltern zu spüren sei und beschäftigten sich mit Referentinnen von der Schule für Erwachsenenbildung mit Nachhaltigkeit. Hier wurden unter anderem alternative Wirtschaftsmodelle vorge­stellt, wie „Buen Vivir“ (Deutsch: Gutes Leben), wo die Gesellschaft nicht nur auf wirtschaftliches Wachstum aus ist. Stattdessen wird der Natur in diesem Modell nur so viel entnommen, wie wirk­lich benötigt wird.