
Sie ist 89 Jahre alt, sie hat als Kind den Holocaust überlebt und sie berichtet in ausgewählten Schulen über ihr Schicksal: Am 11. März hielt Eva Weyl vor etwa 250 Schülerinnen und Schülern der 9. Klassen des Joseph-König-Gymnasiums und der Alexander-Lebenstein-Realschule einen bewegenden Vortrag.

Eva Weyl ist eine ergreifende Zeitzeugin des nationalsozialistischen Terrors, den sie als Kind in den Niederlanden erlebte. In ihrem sehr persönlichen, tief betroffen machenden Vortrag berichtete sie von ihren Eltern, die im niederrheinischen Kleve ein Textilkaufhaus betrieben, von den Anfeindungen, die ihre Eltern und Großeltern wegen ihres jüdischen Glaubens erfahren mussten, von deren Umzug ins niederländische Arnheim Mitte der 1930er-Jahre, um der nationalsozialistischen Verfolgung zu entkommen, von der Deportation der Familie in das niederländische Durchgangslager Westerbork nach dem deutschen Überfall auf die Niederlande im Zweiten Weltkrieg, von dem perfiden „schönen Schein“, den Lagerkommandant Gemmeker in diesem Durchgangslager aufbaute, und von ihrem glücklichen Überleben.
Besonders in Erinnerung bleiben wohl die vielen kleinen Geschichten, die einerseits einen Funken Hoffnung angesichts der Schrecken des Holocausts aufzeigten, andererseits die Grausamkeit des menschenverachtenden Lagersystems der Nationalsozialisten offenbarten. So berichtete Eva Weyl vom „schönen Schein“, der in Westerbork systematisch aufgebaut und aufrechterhalten wurde: die scheinbar heile Welt innerhalb des Lagers mit Arbeit, Essen und Ablenkung wurde vorgespielt, um trotz der regelmäßigen Abtransporte von insgesamt 102.000 Juden in die Vernichtungslager Ruhe und Ordnung zu wahren.
Zwei Opfer ein und desselben Täters
Diese perfide Scheinwelt geht vor allem auf den Lagerkommandanten Gemmeker zurück. Mit seiner Enkelin Anke Winter verbindet Eva Weyl seit einigen eine enge Freundschaft. Beide haben sogar schon gemeinsame Vorträge gehalten. „Sie und ich sind Opfer desselben Mannes“, erklärte Eva Weyl. Niemand, so Weyl weiter, sei verantwortlich für die Taten seiner Vorfahren. Jeder sei jedoch dafür verantwortlich, wie man mit der Vergangenheit umgehe und was man aus ihr lerne.
„Zweitzeugen“
Eva Weyls großes Engagement gegen das Vergessen, ihre Lebensfreude und ihr sichtbares Interesse am Austausch mit der heutigen Jugend ist vor dem Hintergrund ihres persönlichen Schicksals umso imponierender. Da sie als eine der letzten Zeitzeuginnen heute spreche, mache sie damit alle Zuhörenden zu „Zweitzeugen“ – und nimmt damit auch die nachfolgenden Generationen in die Pflicht, ihre (Überlebens-)Geschichte zu bewahren.

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Eva Weyl hat sich 2021 bereit erklärt, die Schirmherrschaft über das Engagement des Joseph-König-Gymnasiums im Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ zu übernehmen. Nicht zuletzt als Europaschule sind wir Eva Weyl für ihre jahrelange Verbundenheit mit dem Joseph-König-Gymnasium äußerst dankbar.